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Pressemitteilung

Wer machte die Sonneberger Landratswahl zur Protestwahl?

Sonneberger ÖDP-Politiker liest etablierten Parteien die Leviten

Martin Truckenbrodt

Martin Truckenbrodt - Foto: ÖDP

Martin Truckenbrodt ist ehrenamtlicher Landesvorsitzender der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP) in Thüringen und seit 2004 im Landkreis Sonneberg zuhause. Er stammt ursprünglich aus dem benachbarten Landkreis Coburg in Bayern und führt eine gesamtdeutsche und, wie er es gerne betont, auch eine gesamtfränkische Ehe. Am 1. März dieses Jahr, als, für viele überraschend, der bisherige Sonneberger Landrat nach zwei Jahren Dauerkrankheit in den Vorruhestand geschickt wurde, hat er angeregt, dass alle anderen Wählergruppen und Parteien im Landkreis einen gemeinsamen Gegenkandidaten zu den voraussichtlichen Kandidaten der CDU und der AfD aufstellen sollen. Den CDU-Kandidaten hält er für nicht ausreichend geeignet. Er könne insbesondere der früheren Landrätin Christine Zitzmann (parteilos) nicht ansatzweise das Wasser reichen. Die ÖDP ist aktuell im Sonneberger Kreistag noch nicht vertreten. So hat er sich selbst in der Rolle des Brückenbauers als gemeinsamer Kandidat vorgeschlagen. Zum gemeinsamen Gegenkandidaten kam es nicht, woraufhin Truckenbrodt, wie für diesen Fall angekündigt, frühzeitig erklärte, doch nicht zu kandidieren. Zur Wahl am 11. Juni standen vier Kandidaten zur Wahl.

Nachdem das vorläufige Ergebnis der Landratswahl feststeht, meldet sich Martin Truckenbrodt nun mit einer persönlichen Erklärung zu Wort:

Dass der Kandidat der AfD, Robert Sesselmann, mit einem sehr hohen Ergebnis in die Stichwahl eingezogen ist, ist doch keinesfalls überraschend. Das ist jedoch keinesfalls typisch nur für Südthüringen oder nur für den Landkreis Sonneberg! Auch wenn ich selbst das absolut nicht gutheiße, ist es nun mal ein aktuelles Phänomen unserer Zeit. Die Frage war deshalb für mich nur die gewesen, ob, nachdem sich die CDU im Sonneberger Kreistag und im Sonneberger Stadtrat vor einiger Zeit gespalten hat, der zudem aus meiner Sicht schwache Kandidat der CDU, Jürgen Köpper, in die Stichwahl einzieht oder doch eine der zwei Herausforderinnen. Es zeigt sich doch mal wieder und wenig überraschend, dass die Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Sonneberg gerne Amtsinhaber oder deren Stellvertreter wählen. So kam es auch zur Wahl des letzten Landrats Hans-Peter Schmitz, obwohl er im traditionell eigentlich tiefschwarzen Landkreis Sonneberg ein gemeinsamer parteiloser Kandidat von SPD und Die Linke war.

Ich verstehe absolut nicht den Hype, den die Sonneberger Landratswahl ausgelöst hat. Alleine der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke erklärt die Sonneberger Landratswahl zur Protestwahl und Südthüringen zur AfD-Hochburg und Politik und Medien steigen voll darauf ein. Leichter kann man es den Rechtspopulisten und Rechtsextremisten doch nicht machen. Als aus dem „Westen“, der bei uns im Süden liegt, Zugezogener, der nun schon bald 19 Jahre auf dem Gebiet der ehemaligen DDR zuhause ist, kann ich nur Eines feststellen: Die Menschen in den Neuen Bundesländern haben keinesfalls eine im Vergleich zu den Menschen in den Alten Bundesländern stärker ausgeprägte rechte Gesinnung. Sie sind lediglich leider dazu bereit, aus Protest zur Not die AfD zu wählen. Sie verbinden damit die Hoffnung, so Gehör und Anerkennung zu finden. Ich heiße das keinesfalls gut! Ich stelle das lediglich fest. Und ich weiß, dass nicht die AfD für dieses Wahlverhalten verantwortlich ist.

Die vor 1975 geborenen ehemaligen DDR-Bürger nehmen die aktuelle Politik in Deutschland etwas anders war. Sie wissen noch, wie ein totalitärer Staat funktioniert, wie er sich anfühlt. Und ja, viel aktuelles Geschehen erinnert sie daran: Das Gendern, das Überbetonen und über das Ziel Hinausschießen des Strebens der queeren Bewegung nach Anerkennung und Toleranz, Vorwürfe Kultureller Aneignung, indirekter Impfzwang mit nicht ordentlich zugelassenen neuartigen Impfstoffen, die zudem keine Impfstoffe im eigentlichen Sinne sind, Veganismus als Heilsversprechen zur Rettung der Welt, Klimakleber, Verbrenner-Verbot auf der Straße und im Eigenheim, usw. Das alles ist von oben übergestülpt oder erzwungen. Es schränkt somit grundsätzlich die Freiheit der Menschen ein. Es ist damit in gewisser Weise auch totalitär. Und nach wie vor haben viele Menschen in den Neuen Bundesländern das Gefühl, als Menschen zweiter Klasse behandelt zu werden.

Männer und Frauen sind in Deutschland schon lange vor dem Gesetz gleichberechtigt. Für intersexuelle und transsexuelle Menschen fehlten und fehlen hier und da noch ausreichende Regelungen. An dieser Baustelle wird erfreulicherweise bereits gearbeitet. Aber das Gendern hilft keiner einzigen alleinerziehenden Mutter weiter. Es verhilft keiner unterbezahlten Arbeitnehmerin zu einem gerechten Lohn oder besseren Karrierechancen. Und es verhilft keiner gesellschaftlichen Minderheit zu mehr Anerkennung. Ich meine, dass es stattdessen diesem guten und zu unterstützenden Engagement mehr schadet als nützt, weil es dieses ins Lächerliche zieht. Das sehen u.a. auch nicht wenige Feministinnen so.
Natürlich sollen queere Menschen ein ganz normales Leben führen können und dürfen. Dazu gehört aber auch, dass sie sich nicht ständig in der öffentlichen Diskussion dazu für ihr Geschlecht, ihre sexuelle Neigung und sexuelle Orientierung erklären müssen. Denn das ist nicht zuletzt auch etwas Intimes. Der Diskussion täte es meiner Meinung nach zudem sehr gut, wenn man in dieser sehr konsequent zwischen Geschlecht, sexueller Neigung und Orientierung und sexuellen Vorlieben (Fetischen) unterscheiden würde. So käme deutlich mehr Sachlichkeit in die Diskussion. So wäre diese deutlich konstruktiver. So würde sie auf weniger Menschen verstörend oder beängstigend wirken.

Als ich das erste Mal von den Vorwürfen Kultureller Aneignung mitbekam, dachte ich im ersten Moment sofort, diese Vorwürfe kommen von der AfD. Denn da passt das nüchtern betrachtet doch am ehesten hin. Es ist für mich geradezu grotesk, dass diese Vorwürfe stattdessen von Menschen kommen, die sich ansonsten besonders intensiv für eine bunte Gesellschaft engagieren. Wer Kulturelle Aneignung vorwirft, hat zum einen Kultur nicht verstanden und kennt zum anderen seine persönlichen Wurzeln und die Wurzeln der Menschheit nicht. Die gesamte Menschheitsgesichte ist ein einziger fortlaufender Prozess kultureller Aneignung. Und das ist auch gut so! Denn ansonsten würden wir immer noch, maximal mit Fell bekleidet und Steinwerkzeuge nutzend, in Höhlen leben.
Die Impfung mit den mRNA-Wirkstoffen ist bis heute, wie ich meine zurecht, unter Medizinern äußerst umstritten. Anstatt erst einmal die Folgen sowohl der Corona-Erkrankungen als auch bezüglich Wirksamkeit und Impfschäden der Verabreichung dieser sehr neuartigen Wirkstoffe vernünftig und ausreichend gründlich zu untersuchen, will man jetzt schon das Impfen möglichst vollständig auf mRNA-Wirkstoffe umstellen. Jedem halbwegs kritisch denkenden Menschen sollten doch hierbei die Alarmglocken läuten. Und natürlich muss Impfen freiwillig bleiben! Siehe totalitäres Vorgehen.

Die vegane Ernährung ist zweifelsfrei eine unnatürliche Ernährung. Damit kann diese Ernährungsweise von Hause aus nicht gesund sein. Wir sind gerade erst dabei, Langzeiterfahrungen damit zu sammeln. Und interessanterweise weisen so manche Allgemeinmediziner jetzt schon ihre betreffenden Patienten darauf hin, dass dieses oder jenes Symptom auch auf die vegane Ernährung zurückgeführt werden kann. Vegetariern hingegen, die es schon seit Jahrtausenden gibt, zolle ich höchsten Respekt. Ich selbst bin kein Vegetarier, schaue nur dass ich weniger Fleisch esse und dass dieses von Tieren aus der Region stammt. Direktvermarktende Biohöfe gibt es bei uns leider nicht. Auf dem Land mit dem PKW 30 Kilometer zum nächstgelegenen Biohof zu fahren, ist auch nicht gerade besonders ökologisch. Klar ist, dass wir wieder zur ökologischen Landwirtschaft hin bzw. zurück müssen. Klar ist auch, dass wir alleine schon aus gesundheitlichen Gründen weniger Fleisch essen sollten. Aber eine Rationierung auf täglich 10 Gramm Fleisch ist eine lächerliche Forderung. Siehe auch totalitäres Vorgehen.

Die unbestritten notwendige Energiewende wird mit Verboten für Bürgerinnen und Bürger nicht funktionieren. Siehe totalitäres Vorgehen. Dringend notwendig sind hingegen die richtigen Vorgaben und Zielsetzungen der Politik für Industrie und Wirtschaft, wenn es darum geht, sinnvolle bzw. aus ökologsicher Sicht bessere Angebote zu schaffen. Wenn diese Vorgaben und Zielsetzungen alleine von den Lobbyisten der Industrie und der Wirtschaft selbst erarbeitet werden, dann kann auch dies logischerweise nicht funktionieren. Zweite Aufgabe der Politik ist es hier sinnvolle Lösungen gezielt für die Verbraucher finanziell zu fördern. Stattdessen tun wir so, als wäre die Energiewende nur eine Frage der Mobilität. Dem ist mitnichten so. Völlig unbeantwortet und ungelöst bleibt zudem auch die Speicherfrage. Großbatteriespeicher und Pumpspeicherkraftwerke dienen ausschließlich dazu kurzzeitige Lastspitzen auszugleichen. Um diesen Zweck zu erfüllen, sind sie quasi immer vollgeladen. Auch auf Grund ihrer geringen oder sehr teuren Kapazität, sind sie nicht dafür geeignet, Energie über Wochen oder Monate auf Vorrat zu speichern. Wir wollen und müssen eh unsere Erdgasspeicher ablösen. Also müssen wir auf Speicher setzen, die zu viel regenerativ erzeugten Strom in gasförmiger Form speichern, wenn wir Erdgas und Erdöl ersetzen wollen. Wir werden dennoch wohl auch zukünftig Energie zukaufen müssen. Und wenn diese auch regenativ erzeugt sein soll, dann werden wir diese auch in gasförmiger Form transportieren müssen, damit dies effizient erfolgt. Stattdessen sind wir momentan dabei unseren Stromverbrauch systematisch und deutlich zu erhöhen und versuchen blind und damit letztendlich sehr naiv darauf zu vertrauen, dass im Winter Windkraftanlagen permanent genug Strom produzieren, so dass wir mit unseren Wärmepumpen im Haus nicht frieren müssen. Wie naiv! Siehe totalitäres Vorgehen.

Und beim Klimaschutz an sich diskutieren wir in einer Art und Weise, die die Existenz eines natürlichen Klimawandels geradezu ignoriert. Zweifelsohne hat die massive Karbonisierung einen spürbaren, wohl auch einen deutlich spürbaren, Einfluss auf das Klima. Darauf müssen wir natürlich reagieren, nicht zuletzt auch um uns wichtige Rohstoffe für die Zukunft zu sichern. Aber es ist nicht der einzige Einfluss. Das Klima verändert sich auch permanent von ganz alleine. Klimapolitik ist auch Friedenspolitik. Klimaschutz ist somit auch in erheblichem Umfang eine soziale Frage. Freihandelsabkommen, nüchtern betrachtet in der Regel die Fortführung der Kolonialpolitik, bekämpfen geradezu diese Erkenntnis. Die Folge ist, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis es auf unserem Planten zu interkontinentalen Wanderbewegungen großer Menschenmassen kommen wird. Für uns in Europa werden dies vor allem Menschen aus Afrika aber zumindest auch aus Vorderasien sein. Ich habe keine Angst vor diesen Menschen. Ich sehe nur die Herausforderungen, die auf uns zukommen werden. Hier geht es also um ganz nüchterne Überlegungen.

Wie gehen wir mit diesen Zukunftsaussichten um? Wir reden und bilden uns ein, dass es der AfD nur um die Flüchtlingsthematik geht. Wir geben Bürgerinnen und Bürgern die Verantwortung für ihr Protestwahlverhalten und lenken damit davon ab, dass die Verantwortung dafür tatsächlich bei der gewärtigen Politik der weiteren etablierten Parteien liegt. Es geht hier gar nicht um die Positionen der AfD. Diesen habe eh in der Regel wenig Informationsgehalt oder konstruktive Ansätze. Es geht stattdessen eher um das Verdrängen von Themen oder um eine oppositionelle Haltung zu einzelnen Themen. Und es geht auch darum, dass sich die Menschen in den Neuen Bundesländern nicht berücksichtigt und nicht ernstgenommen fühlen. Die Deutsche Einheit ist hier noch lange nicht vollendet. Diese Thematik überträgt sich auf die jüngeren Generationen.

Und ja, man kann immer noch in Deutschland offen und frei Kritik äußern, ohne um sein Leben oder um einen Gefängnisaufenthalt fürchten zu müssen. Man muss jedoch immer stärker befürchten, dass man in unterschiedlicher Form derart dafür diffamiert wird, dass es negative Auswirkungen auf das persönliche soziale Umfeld oder auch auf das berufliche Umfeld und damit auf materielle Existenzgrundlagen hat. Diese undemokratische Entwicklung innerhalb unserer Gesellschaft gibt es nicht erst seit Corona. Sie ist schon deutlich älter.

Wen sollen die Menschen denn anstatt der AfD aus Protest wählen? Bei EU-, Bundestags- und Landtagswahlen gibt es dafür theoretisch meist mehrere Möglichkeiten. Es soll z.B. sogar Wähler geben, die lediglich aus Protest die Tierschutzpartei wählen. Aber da ist ja noch die 5%-Sperrklausel bei Bundestags- und Landtagswahlen. Also wählen viele nicht nach ihrer Überzeugung, sondern stattdessen taktisch oder strategisch, damit sie ihre Stimme nicht verschenken. Das Ergebnis ist ganz nüchtern betrachtet ein systematisch verfälschtes Wahlergebnis. Bei Kommunalwahlen, bei denen es keine Sperrklauseln mehr gibt, ist die Auswahl meist geringer. Noch geringer ist die Auswahl meist bei Direktwahlen, wie Landrats- und Bürgermeisterwahlen, bei denen die absolute Mehrheit entscheidet.

Wäre es nicht besser die Sperrklauseln abzuschaffen, damit Wählerinnen und Wähler nicht mehr befürchten müssen, dass sie ihre Stimme verschenken? Wäre es nicht besser, wenn Protestwähler anstatt die AfD z.B. die ÖDP, die Piratenpartei oder die Freien Wähler als Parteien im Spektrum der politischen Mitte wählen würden? Gäbe es die 5%-Sperrklauseln nicht, so säße die ÖDP eventuell schon spätestens seit 1986 im Bayerischen Landtag und u.a. seit 1988 im Landtag von Baden-Württemberg. Hätte dies diesen Bundesländern geschadet? Hätte es der Demokratie geschadet? Nein, mit Sicherheit nicht!
Stattdessen hat sich die AfD, trotz 5%-Sperrklausel, zur etablierten Partei entwickelt. Sie ist deshalb und damit ultrapräsent. Stattdessen haben wir trotz 5%-Sperrklausel, oder vielleicht auch wegen der 5%-Sperrklausel, in Thüringen seit 2019 eine wenig produktive Minderheitsregierung. Welchen Nutzen haben also Sperrklauseln noch? Sie führen dazu, dass von Wahl zu Wahl in der deutlichen Tendenz immer mehr Wählerstimmen nicht mehr im Bundestag oder in Landtagen vertreten sind. Als einzige haben tatsächlich nur die etablierten, genauer gesagt die größeren etablierten, Parteien einen Nutzen davon.
Ja, diese etablierten Parteien, die Freien Wähler wegen ihrer Präsenz in mehreren Landtagen ebenfalls als etablierte Partei betrachtet, gönnen den kleineren Parteien im EU-Parlament neun der insgesamt 96 deutschen Sitze nicht. Ammenmärchen von Nichthandlungsfähigkeit usw. werden verbreitet. Es geht den etablierten Parteien stattdessen doch nur um Posten, um nichts anderes!

Genauso verhält es sich beim kürzlich beschlossenen Gesetz zur angeblichen Verkleinerung des Bundestags. Es handelt sich hierbei nüchtern betrachtet stattdessen um ein Gesetz zur Vergrößerung des Bundestages, denn es erhöht die Anzahl der regulären Sitze von 598 auf 630. Was als Mittelweg verkauft wurde, stellt sich deshalb bei genauer Betrachtung als Etikettenschwindel heraus. Der einzig sinnvolle Weg wäre es stattdessen gewesen, einseitig die Anzahl der Wahlkreise deutlich zu reduzieren und dabei die Anzahl der Listenmandate beizubehalten. So wäre es zukünftig kaum noch zu Ausgleichs- und Überhangmandaten gekommen. Und der Steuerzahler hätte sich darüber gefreut, bis zu einem Viertel Abgeordnete weniger bezahlen zu müssen. Auch diese Gesetzesänderung dient also nur den Interessen der etablierten Parteien. Im Falle des Bundestages ist es mit den föderalen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland eh fraglich, welche Bedeutung hier Wahlkreisabgeordnete tatsächlich haben. Der regionale Proporz kommt sowieso schon über die Landeslisten der Parteien zustande. Andererseits gehen die Direktmandate in der Praxis meist nur an die etwas größeren etablierten Parteien. Für die Abbildung der Vielfalt der Gesellschaft und der Bevölkerung sind hingegen die Zweitstimmen relevant.

Wo bleibt hier das Gemeinwohl, zu dem eigentlich sowohl das Grundgesetz also auch die Verfassungen der Bundesländer eigentlich verpflichten?

Aus der aktuellen Misere gibt es also aus mehreren Gründen nur einen Ausweg: Die Demokratie mit mehr demokratischer Vielfalt retten. Denn jede in den Parlamenten berücksichtigte und vertretene abgegebene Wählerstimme für eine kleinere Partei verringert das Gewicht der für die AfD abgegebenen Wählerstimmen. Die meisten der relevanten kleineren Parteien sind zudem auch eher nahe der politischen Mitte einzuordnen. Und wenn sich die tatsächliche rechte Wählerschaft wieder stärker auf mehrere Parteien verteilen würde, wäre dies unterm Strich auch kein Schaden. Es würde stattdessen und auf jeden Fall ebenfalls die AfD schwächen.

In der Zweiten Kammer in den Niederlanden sind aktuell 19 Parteien vertreten. Auch das funktioniert. Das ist allemal besser, wie ein Saarländischer Landtag, in dem aktuell nur drei Parteien und deshalb 22,3% der abgegebenen Wählerstimmen nicht vertreten sind. Auch in Thüringen ist nächstes Jahr ein Landtag mit nur vier oder vielleicht sogar ebenfalls nur mit drei Parteien (AfD, Die Linke, CDU) im Bereich des Möglichen. Denn die SPD hatte bei der letzten Landtagswahl ein Zweitstimmenergebnis von nur 8,2 %.

Ja, die liebe SPD. Diese machte einen riesengroßen Wirbel, als drei ihrer Stadträte in Hildburghausen für ein Abwahlverfahren des Bürgermeisters stimmten. In Sonneberg stellt sie hingegen eine kommunalpolitisch unerfahrene parteilose Landratskandidatin auf, die sich nicht ausreichend präzise zu den Formen des Miteinanders mit den Kreisräten der AfD positioniert.

Die CDU hingegen verhält sich nur auf Landkreisebene doppelzüngig. Während der kommissarisch amtierende Landrat der CDU, Jürgen Köpper, recht detailliert berichtet, wie Anträge der AfD überarbeitet und dann gemeinsam beschlossen werden, behauptet die CDU-Kreisrätin und Landtagsabgeordnete, Beate Meißner, es gäbe gar keine Zusammenarbeit mit der AfD.

Das ist die Realität, die traurige Realität.

Wir sollten die zunehmende Polarisierung unserer Gesellschaft möglichst schnell stoppen. Um das zu erreichen, sollten wir wieder mehr miteinander reden und uns gegenseitig ernster nehmen, unterschiedliche Meinung akzeptieren. Wir sollten auch das Wählervotum ernst nehmen und zumindest in gewisser Hinsicht akzeptieren. Nur so kann die Anzahl der Protestwähler reduziert werden. Das ist möglich, ohne dass wir unsere Extremismusabgrenzungen aufgeben müssen.
Die etablierten Parteien müssen nicht nur endlich Selbstkritik üben, sondern auch wahrnehmen, dass sich unsere Gesellschaft seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs doch auch etwas zum Besseren verändert hat. Ich meine, wir sind dem angestrebten Ideal des mündigen Bürgers doch deutlich nähergekommen. Wenn wir die Erfahrungen der ehemaligen DDR-Bürger, die, meine ich, einen etwas kritischeren Blick auf die Dinge haben, stärker miteinfließen lassen würden, könnten wir alle davon profitieren.

Und wir müssen in der Politik konsequent das Prinzip des Gemeinwohls leben. Nun gut, Gemeinwohl und neoliberale Politik, für die in besonderem Maße auch die AfD steht, sind nicht miteinander kompatibel. Das ist jedoch schon ein Thema für die nächste Grundsatzdiskussion.

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